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Zwischen Zerreden und Totschweigen

von

Heidi König

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Zwischen Zerreden und Totschweigen

Sex braucht Kommunikation, um erfüllend für beide Partner zu sein. Doch welche Themen soll man ansprechen? Und was muss nicht unbedingt diskutiert werden?

Mein Partner ist ein sehr liebevoller und einfühlsamer Mensch. Im Alltag. Beim Sex entwickelt er sich zur Maschine oder besser ausgedrückt: Er behandelt mich wie eine Maschine und schraubt, rubbelt, drückt an mir herum und wartet auf Ergebnisse. Ich mag Sex. Aber auf diese Weise vergeht mir langsam die Lust.

Laura redet mit ihren Freunden darüber, mit ihrer Therapeutin und irgendwann ergibt sich sogar ein Gespräch mit ihrer Gynäkologin. Auch wenn alle einen anderen Blickwinkel auf die Sache werfen, in einem sind sie sich einig: Laura soll mit ihrem Freund reden. Natürlich hat sie selbst auch schon daran gedacht, doch bis jetzt vermied sie es, das Thema auch nur anzudeuten. „Über Sex zu reden ist in einer Beziehung wichtig“, sagt eine Freundin. Also spricht Laura mit ihrem Freund – und es geht komplett schief. Bereits nach wenigen Minuten befinden sich die beiden in einem eskalierenden Streit, der tagelanges Anschweigen und größtmögliche körperliche Distanz zur Folge hat. Genau das wollte Laura nicht.

Von Diskussionen bis Tantra-Kurs

Nicht immer enden Gespräche über Sex im Streit. Manche Paare verstricken sich in hochintellektuellen Diskussionen, vertiefen sich gemeinsam in Fachbücher, belegen Tantra-Kurse – und stellen irgendwann fest, dass sie zwar viel erlebt haben, das eigentliche Thema aber in keinster Weise verändern konnten. Ist es also besser, nicht darüber zu reden? Wohl kaum! Denn jede Form der Unzufriedenheit in einer Beziehung wirkt sich irgendwann auf den gesamten Alltag aus. Sexuelle Probleme bewirken häufig, dass zuerst der Sex vermieden wird und langsam jede Form der Nähe aus der Beziehung verschwindet.

Sex braucht auch Ich-Bezogenheit

Sexualität zwischen zwei Menschen lebt davon, dass sich beide in höchster Lust begegnen und durch das, was sie tun, die eigene, aber auch die Erregung des anderen steigern. Klingt einfach, ist aber kompliziert. Immerhin bedeutet es, dass richtig guter Sex eine gewisse Form der Ich-Bezogenheit braucht. Das ICH muss die sexuelle Erregung gut spüren können, Freude daran haben und aus dieser Lust heraus Handlungen entwickeln können. Gleichzeitig muss dieses ICH trotzdem fähig sein, den anderen in seiner sexuellen Stimmung wahrzunehmen und die eigenen Handlungen dem anzupassen, was an „Stimmungsrückmeldung“ kommt. Sex hat also sowohl etwas mit einem aktiv handelnden Egoismus als auch mit Empathie zu tun.

Reden ist guter Anfang

Manche Menschen können ihre sexuelle Erregung sehr gut spüren, erwarten sich aber vom anderen, so zu handeln, damit diese Lust bleibt. Andere wiederum spüren ihre eigene Lust überhaupt nur dann, wenn die andere Person eindeutige Lustsignale sendet. Und dann gibt es jene, die ihre eigene sexuelle Lust nur dann erhalten können, wenn sie jegliche Form der Empathie abschalten. In all diesen Situationen kann es verständlicherweise zu einer sexuellen Unzufriedenheit kommen. Manchmal nur von einer Person, meist aber spüren beide, dass etwas nicht passt. Reden ist dann schon mal ein guter Anfang. Aber nur dann, wenn gewisse Regeln eingehalten werden!

REGELN FÜR EIN GUTES GESPRÄCH

Das Wichtigste: Reden Sie über sich und nicht über den anderen!

Schließlich wissen Sie gar nicht, was wirklich im anderen vorgeht. Über sich zu sprechen, bedeutet auch, ehrlich zu sein. Dazu gehört, sich selbst Fragen zu stellen: Wie komme ich in die sexuelle Erregung? Welche Handlungen setze ich dafür? Erwarte ich mir, dass das mein*e Partner*in erledigt? Übernehme ich Verantwortung für meine eigene Lust oder möchte ich „bedient“ werden? Habe ich sehr spezielle Arten, um in die Lust zu kommen? So speziell, dass es mir nur selbst unter höchster Konzentration gelingt, diese herzustellen?

Sprechen Sie jene Gefühle aus, um die es wirklich geht!

Im seltensten Fall sind es jene Gefühle, die im Vordergrund stehen. Hinter der Wut kann eine Kränkung stehen, hinter der Kränkung kann das Gefühl der Ablehnung stehen und hinter diesem Gefühl kann wiederum der Wunsch nach Nähe und Geborgenheit stehen. Es ist ein bisschen so wie das Auspacken des Päckchens im Päckchen, im Päckchen … Sind in den äußeren Päckchen bei einem Konflikt eher belastende und unangenehme Gefühle, so versteckt sich in der kleinsten Schachtel meist ein Wunsch, eine Hoffnung, eine Sehnsucht, was einem manchmal selbst nicht ganz klar ist. Doch es zahlt sich aus, diese herauszufinden und auszusprechen.

Verstricken Sie sich nicht in intellektuelle Erklärungsansätze!

So verlockend es auch ist: Hobbypsychologie hat im Bett nichts zu suchen und Intellektualität ist bei der Frage nach sexueller Lust auch wenig hilfreich. Das, worum es gerade geht, ist ausnahmsweise nicht mit dem Kopf zu lösen.

Reden Sie nicht ewig!

Sobald Sie merken, dass das Gespräch zu lange dauert, in eine negative Stimmung kippt, sie beide voneinander wegbringt – hören Sie auf und tun Sie etwas, das Sie gemeinsam in gute Laune versetzt: Drehen Sie Ihr gemeinsames Lied auf und tanzen Sie, trinken Sie ein Glas Wein, gehen Sie spazieren! Beenden Sie das Gespräch hochoffiziell gemeinsam, indem Sie sich eingestehen, dass es zwar nichts gebracht hat, Sie aber eines fix wissen: dass Sie sich mögen und beide Interesse an gutem, gemeinsamem Sex haben – auch, wenn es im Moment noch nicht so ist. Was zählt, ist, dass sie beide dasselbe wollen. Ist das einmal geklärt, lässt sich auch Unterstützung holen. Denn miteinander über Sex zu reden, ist manchmal im geschützten Rahmen einer Sexualberatung leichter. Oft reicht es aus, sich ein, zwei Mal Gesprächsunterstützung zu gönnen, um wieder lustvolle, gemeinsame Perspektiven entwickeln zu können.

Dieser Artikel erschien ebenfalls in: DIE OBERÖSTERREICHERIN

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