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Der Körper als Mischpult der Lust

von

Wolfgang Kostenwein

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Der Körper als Mischpult der Lust

Für viele biologische Männer ist Sexualität vor allem eine Sache des Kopfes und der Selbstkontrolle. Sprechen wir über mögliche Folgen und lustvolle Sexualität.

“Männliche“ Sexualität – Kopf oder Körper?

Umgeben von Mythen

Angesichts der Tatsache, dass Sex für viele Menschen einen wichtigen Aspekt in ihrem Leben darstellt, ist es überraschend, dass ganz wesentliches Wissen über Sexualität noch immer im Verborgenen liegt. Und nicht selten sind es Meinungen oder Mythen, die den Zugang zu diesem Wissen zusätzlich erschweren. Sogar Fachpersonen tragen zur Verbreitung mancher Mythen bei. So betrachtet ist es nicht verwunderlich, wenn ratsuchende Menschen auf der Suche nach einer Möglichkeit, Sexualität lustvoll erleben zu können, frustriert aufgeben. Der Mythos, dass sich Sexualität vornehmlich im Kopf abspielt, lässt übersehen, dass der Körper grundlegend für sexuelles Gestalten ist. Der Körper ist das Instrument, auf dem wir spielen. Es zahlt sich also aus, sich diesem Instrument zuzuwenden, wenn es darum geht, diesem Instrument schöne Töne zu entlocken.

Die Rolle des Körpers

Der Körper hat also direkten Einfluss auf die Fähigkeit Lust zu spüren. Es ist auch der Körper, der die Lustkurve eher niedrig hält oder andererseits so schnell in die Höhe treibt, dass der Orgasmus innerhalb kürzester Zeit erreicht wird. Gerade dieses Phänomen kennen eine Vielzahl von Männern. Sie können ihre Erregung nicht kontrollieren und den Zeitpunkt ihres Orgasmus nicht bestimmen. Da dies ein sehr häufiges Anliegen in der Sexualtherapie darstellt, soll es hier als Beispiel dienen.

Lustunterdrückung gegen “zu frühes Kommen“?

Die Lösungsversuche, die Männer einsetzen, um den Zeitpunkt des Orgasmus hinauszuzögern, sind vielfältig und manchmal eindrucksvoll kreativ. Sie denken, sie seien zu leicht erregbar und versuchen daher, ihre Lust zu unterdrücken. Sie denken an etwas Trauriges oder lenken sich ab, indem sie Kopfrechnungen machen – am beliebtesten dabei ist ob der Schwierigkeit oft die 7er-Reihe. Manche denken an schreckliche Ereignisse oder an die kotzende Schwiegermutter. Die unterschiedlichen Ideen sind nahezu endlos. Nur: Sie funktionieren alle nicht. In den Drogeriemärkten gibt es spezielle Kondome zum „länger Durchhalten“. Sie enthalten ein leichtes Anästhetikum zur Betäubung und damit Lustreduktion. Auch manche Urologen verschreiben einen Spray oder eine Salbe mit derselben Wirkung. Selten führt dies zu einer Besserung. Die Männer kommen oft genauso schnell – nur spüren sie dabei weniger. Tatsächlich aber stehen hinter diesem Phänomen körperliche Automatismen, also unbewusste Körperaktionen, die die Erregungskurve massiv beschleunigen und so den Orgasmus innerhalb von Sekunden oder wenigen Minuten auslösen. Diese Automatismen zu kennen ermöglicht, Einfluss darauf zu nehmen und den Zeitpunkt des Orgasmus selbst zu bestimmen.

TRAB – Das geheime Steuerungssystem

Der Körper besitzt unterschiedliche Tools, um direkten Einfluss auf die Erregung zu nehmen. Diese Tools sind meistens nicht bewusst, weil sie sich bereits sehr früh in den Körper eingespielt haben und dann in sexuellen Situationen automatisch abgerufen werden.

Diese Instrumentarien des Körpers sind: Tonus, Rhythmus, Atmung und Bewegungsraum.

Tonus beschreibt die Möglichkeit, über Druck und Anspannung die Erregung zu steigern. Oft spannt das Becken, die Gesäßmuskulatur, die Beine oder der gesamte Körper zunehmend an. Wenn der Körper zusätzlich gelernt hat, die Erregung auch über schnelle rhythmische Bewegungen zu beeinflussen, werden gleich zwei Steuerungselemente eingesetzt, die die Lustkurve extrem beschleunigen können. Anspannen und schnelle Rhythmen sind gewissermaßen die dreispurige Autobahn in den Orgasmus. Das ist grundsätzlich eine sexuelle Kompetenz, bietet aber wenig Raum für den eigenen und partnerschaftlichen Genuss. Eine tiefe Atmung hingegen – insbesondere die Ausatmung – würde automatisch in eine Entspannung führen und dadurch die Lustkurve senken. Wenn diese Atmung durch eine fluide Bewegung des ganzen Körpers, insbesondere des Beckens und ohne Anspannung begleitet wird, verteilt sich die Lust im ganzen Körper und drängt weniger in die Entladung.

Das Mischpult der Lust

Auf diese Steuerungstools Einfluss nehmen zu können ist erlernbar. Es benötigt allerdings Zeit und Hinwendung, bis die bestehenden Automatismen des Körpers erweitert werden können. In einer Sexualtherapie werden diese vier Regler der Lust Schritt für Schritt körperlich trainiert und die Einflussnahme darauf ermöglicht. Je bewusster diese Regler wahrgenommen und für die Luststeuerung benutzt werden, desto eher kann sich eine Person innerhalb des Lustspektrums bewegen und sehr präzise das Lustniveau bestimmen. Diese Fähigkeit ist nicht nur für Männer nützlich, die den Zeitpunkt des Orgasmus selbst wählen wollen, sondern für alle Menschen, die eigenverantwortlich ihre Lust steuern und diese mit einer anderen Person teilen wollen. Je variabler die einzelnen Regler einsetzbar sind, desto flexibler ist das System auch in Abstimmung mit anderen Personen.

Für das bewusste Erfahren der Regelmechanismen benötigt man nicht zwingend eine Sexualtherapie. Durch das Wissen über diese Möglichkeiten des Körpers und die bewusste Wahrnehmung können diese Regler auch über Selbsterfahrung und Ausprobieren für die Luststeuerung eingesetzt werden.

Dieser Artikel erschien ebenfalls in: DIE OBERÖSTERREICHERIN

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